Patagonien – Auf Expeditionskreuzfahrt zum Kap Hoorn

Indra Waldbüßer
Von Indra Waldbüßer
Geschrieben am: 31. März 2017
Reisebericht Argentinien, Chile

Ich darf wieder nach Patagonien, rau und wild erwartet mich das Ende der Welt an Bord der Stella Australis. In Punta Arenas gehe ich an Bord und reise bis ans Kap Hoorn. Ende der Expeditionskreuzfahrt ist Ushuaia auf Feuerland, die südlichste Stadt der Welt. 

Punta Arenas

Nach meiner Ankunft in Punta Arenas bleibt mir etwas Zeit, die Stadt zu erkunden. Punta Arenas ist mit ca. 120.000 Einwohnern eine patagonische Großstadt. Sie liegt an der Magellanstraße und ist somit abhängig von Wind und Wetter. Heute, an einem Tag Ende März (Herbst in Patagonien), wechselt es von sonnig zu wolkig. Es ist sehr windig, aber mit Jacke nicht unangenehm kalt. Sobald ich mich hinter einer Glasscheibe befinde, wird es recht warm.

Interessant finde ich den Zentralfriedhof, auf dem man aufgrund der Grabinschriften die Stadtgeschichte nachvollziehen kann. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Schafe eingeführt, die Wollproduktion versprach Reichtum. Viele Europäer, darunter vor allem Kroaten, aber auch einige Deutsche siedelten sich in Punta Arenas an. Vor der Eröffnung des Panamakanals war die Magellanstraße eine der wichtigsten Handelsrouten.

Einen Blick über das farbenfrohe Häusermeer und die windumtoste Magellanstraße bekomme ich vom Mirador Cerro de la Cruz.

Zurück in der Innenstadt spaziere ich um die Plaza de Armas. Vom Reichtum der Stadt zeugen noch einige Bauten, z.B. der reich verzierte Palast von Sara Braun. Ich gehe die Fußgängerzone entlang bis zum Hafen. An der Wasserfront steht imposant das Hotel Dreams, dem ein Kasino angegliedert ist. Entsprechend prunkvoll ist das Hotel ausgestattet. Das Essen wird hier in einem noblen Restaurant mit Blick auf die Magellanstraße serviert. Für mich ist es Zeit, an Bord zu gehen. 

An Bord der Stella Australis

Punta Arenas dient mir als Ausgangspunkt für die Kreuzfahrt zum Kap Hoorn. Die nächsten Tage soll es durch die Einsamkeit der patagonischen Kanäle gehen. Ich freue mich auf die Naturschönheiten des Nationalparks Alberto de Agostini, durch den ein Großteil der Expeditionskreuzfahrt mit Australis führt. An Bord werde ich abends zusammen mit den andern Gästen mit einer Darbietung des chilenischen Nationaltanzes Cueca und einem Gläschen Pisco Sour begrüßt.

Seeelefanten in der Ainsworth Bay

Am Morgen erreichen wir die Ainsworth Bay, in der wir zum ersten Mal an Land gehen. Wir werden ausführlich über die Sicherheitsmaßnahmen bei Fahrten mit den Schlauchbooten, den sogenannten Zodiacs, informiert. Nachdem wir unsere Kabinennummern angegeben haben, kann das Abenteuer beginnen.

Der Wind weht um meine Nase und ich sichte die ersten Seeelefanten. Die Ainsworth Bay beherbergt in der Paarungszeit eine ganze Kolonie dieser Meeressäuger. Die größten Robben der Welt sind unterjährig Einzelgänger. Bei der Haremsbildung kommt es zu heftigen Kämpfen unter den Bullen. Als wir an Land gehen – wir befinden uns übrigens bereits auf Feuerland – finden wir jedoch nur noch ein einzelnes Seeelefantenweibchen vor. Während die Weibchen ca. 800 kg auf die Waage bringen, kommt ein ausgewachsenes Männchen gerne mal auf 3 t Gewicht. Die Dame sieht aus wie ein Fels. Die meisten von uns entdecken das Tier erst beim Hinweis unseres Guides.

Wir unternehmen in kleinen Gruppen einen Spaziergang. Sind genügend deutschsprachige Gäste an Bord, gibt es auch eine deutschsprachige Gruppe. Bordsprachen sind Spanisch und Englisch. Ich lerne heute viel über die patagonische Flora und probiere einheimische Beeren, die Calafate. Man sagt, dass man nach Patagonien zurückkehrt, wenn man Calafate isst. Wir werden sehen. Hauptsächlich aber geht es heute um Bäume, die verschiedenen Sorten der Südbuchen und ihre Parasiten wie Misteln oder Indianerbrot und natürlich um die Landschaft, im Hintergrund immer der Marinelli Gletscher, der in den letzten Jahrzehnten sehr weit zurück ging. Auch die südpatagonischen Gletscher bleiben von der Eisschmelze nicht verschont.

Pinguine auf den Tucker Inseln

Am Nachmittag steht unser zweiter Ausflug auf dem Programm. Wir halten bei den Tucker Inseln. Ein Landgang ist nicht vorgesehen, da die einheimische Fauna nicht gestört werden soll. Wir fahren mit den Zodiacs entlang der Küstenlinie und sehen neben unzähligen Magellanpinguinen auch Magellangänse, Falken und Kormorane. Ein besonderes Schauspiel bieten uns zwei Caracaras (Geierfalken), die gerade Nahrung zu sich nehmen – etwas makaber der Anblick.

Pia Gletscher & Gletscherallee

An Bord der Stella Australis werden viele verschiedene Vorträge gehalten. Es geht um die Ureinwohner, um die Vogelwelt, um die Geschichte und um Charles Darwin sowie Captain James Cook, um Gletscher und vieles mehr. Auch ein Besuch der Brücke verkürzt die Wartezeit bis zum nächsten Landgang. Ich bekomme einen Einblick in die schwierige Navigation durch die Kanäle. Am heutigen Vormittag sieht die Welt trüb und grau aus. Zwischendurch fällt Regen, zusammen mit dem schneidigen Wind in Patagonien richtiggehend ungemütlich.

Doch ich habe Glück mit dem Wetter: Am Nachmittag erreichen wir den Pia Gletscher bei heiterem Himmel und wenigen Wolken. Als wir in die Zodiacs steigen, kommt langsam die Sonne hervor, und ich genieße die Gletscherwand bei schönstem Wetter. In meiner dicken Kleidung wird es warm beim Aufstieg zum Aussichtspunkt. Ich staune und genieße, so habe ich mir diese Reise vorgestellt. Der Anblick eines Gletschers ist für mich jedes Mal wieder ein Traum: die pure Schönheit der Natur.

Am frühen Abend durchfahren wir die Gletscherallee. Es gibt Programm zu den einzelnen Gletschern: am Französischen wird Käse und Wein kredenzt, am Italienischen gibt es Pizza. Wir sind an Deck und feiern.

Kap Hoorn

Der Wecker klingelt extrem früh. Wir erreichen das sagenumwobene Kap Hoorn. Die Insel Kap Hoorn ist eine Felsinsel mit Steilküste. Im fahlen Morgenlicht bringen uns die Schlauchboote zum schwarzen, steinigen Strand. Wir steigen die Treppen hinauf und gehen über die angelegten Holzpfade über die grüne Ebene bis zum Albatrosdenkmal, wo wir uns auf Fotos festhalten lassen: Ich war da – am Kap Hoorn, sagenumwobenes Ende der Welt. Ich schaue in Richtung Antarktis. Nur noch das offene Meer trennt mich vom weißen Eiskontinent. Von hier sind es 800 km Luftlinie bis zur Spitze der Antarktischen Halbinsel.

Wow! Auf Kap Hoorn gibt es einen kleinen Leuchtturm. Dort ist ein Soldat der chilenischen Marine stationiert, der mit seiner Familie das ganze Jahr hier lebt. Doch das Leben ist nicht so abgeschieden, wie es im ersten Moment klingen mag. Regelmäßig legen Kreuzfahrtschiffe und Privatjachten oder Segelschiffe an.

Nun aber zurück an Bord! Das Wetter ist heiter und das Meer ruhig und unser Kapitän entscheidet sich für eine Kap Hoorn Umrundung, ein weiteres, ganz besonderes Ereignis dieser Reise. Es wird eine Piratenflagge mit der Aufschrift „Stella Australis“ gehisst; irgendwie fühlt man sich wie in der Zeit zurück versetzt. Selbst unser großes Schiff schaukelt stark. Die ersten Passagiere sind in ihren Kabinen verschwunden. Den Dokumentarfilm können nur noch wenige sehen. Gläser klirren und gehen zu Bruch. Es ist ein heiterer, leicht bewölkter Tag und das Meer ist ruhig. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es hier sein muss, wenn das Meer aufgewühlt ist und ein starker Wind weht.

Wulaia Bucht

Nach langer Fahrt erreichen wir die Wulaia Bucht auf der zu Chile gehörenden Insel Navarino. Hier lebten in früheren Zeiten die Ureinwohner Feuerlands, die Yámana oder Yagan. Sie trugen trotz des kalten Klimas keine Kleidung. Die Ureinwohner waren Seenomaden, die von der Jagd lebten. Während die Männer jagen gingen, tauchten die Frauen im eisigen Meerwasser nach Muscheln und Krebsen. Im 19. Jahrhundert wurden einige Yámana nach England verschleppt; die bekannteste Person unter ihnen war Jemmy Button. Inzwischen gibt es leider keinen Menschen mehr, der sich als Yámana bezeichnen kann. Die Indianer wurden von den Europäern getötet und ausgerottet. Kleidung brachte Epidemien und Krankheiten.

Ushuaia

Gegen 22.00 Uhr sehen wir Lichter. Wir erreichen Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, die zu Argentinien gehört. Ushuaia liegt auf Feuerland. Feuerland ist geteilt in einen chilenischen und einen argentinischen Teil. Es gibt die Möglichkeit, nachts noch an Land zu gehen und das Nachtleben Ushuaias zu erkunden. Die jungen Schiffsgäste und die Besatzung machen einen Ausflug in die Zivilisation, in eine Kneipe in Ushuaia. Hierfür benötigen wir nur unsere Bordkarte, die Reisepässe sind an der Rezeption des Schiffes hinterlegt.

Nach wenigen Stunden Schlaf endet meine Kreuzfahrt zum Kap Hoorn mit der Ausschiffung in Ushuaia. Ich habe ca. 1 Stunde Zeit, durch die morgens sehr ruhige und stille Stadt zu spazieren, bevor ich zum Flughafen gefahren werde.

Buenos Aires

Der Wärme entgegen fliegen wir nach Buenos Aires, der quirligen Hauptstadt Argentiniens, wo wir direkt nach Ankunft am Flughafen eine Stadtrundfahrt unternehmen.

Erstes Ziel ist der Friedhof in La Recoleta. Dieser besteht zu einem großen Teil aus prächtigen Mausoleen. Hier wurden viele prominente und reiche Bürger beerdigt, u.a. Evita Peron. Jedes Grab hat eine andere Architektur; eines übertrifft an Prunk und Reichtum das andere. Das Grab Evitas ist bis zum heutigen Tage bunt geschmückt – mit Briefen und Blumen von Verehrerinnen.

Wir geraten mitten in den Feierabendverkehr und erreichen das Viertel La Boca erst zum Sonnenuntergang. Die Häuser wurden aus Schiffsblech gebaut und anschließend bunt bemalt. Aufgrund dieser schmucken Häuser wurde La Boca zur Touristenattraktion. Diese Gegend von Buenos Aires ist eine ärmere Gegend. In La Boca befindet sich auch das berühmt-berüchtigte Stadion der Fußballmannschaft Boca Juniors.

Wir erreichen unser Hotel, um uns ausgehfertig zu machen. Unser Partnerbüro in Buenos Aires lädt zum Tangoabend ein. Wir dinieren fein und genießen die Tangorhythmen, die uns auf der Bühne präsentiert werden. Tango ist Teil von Buenos Aires. Eine Tangoshow sollte daher von keinem Besucher verpasst werden.

Indra Waldbüßer
Über den Autor
Indra Waldbüßer

Seit ich fast ein Jahr in Chile gelebt habe und durch das ganze Land gereist bin, bin ich fasziniert von den Ländern Lateinamerikas - speziell Patagonien hat es mir auf Anhieb angetan. Inzwischen kenne ich viele Ecken in Süd-, Mittel- und Nordamerika aus eigenen Fernreisen und mag einfach immer wieder hin.